Podiumsgespräch DEKT 2023 Nürnberg: Zukunft gestalten in apokalyptischer Zeit - Selbst wenn der Jüngste Tag kommt...
Impuls: Vorstellung GreenFaith - Glaubensgewissheit und Grosse Transformation – zur Bedeutung von religiös motiviertem Engagement
„Wahrheit ist nicht dazu da, Unsicherheiten zu verbannen. Wahrheit hat etwas mit Ehrlichkeit zu tun. Damit, der Realität in die Augen zu sehen.“
Mit diesem Zitat von der Theologin Catherine Keller möchte ich gleich zu Beginn meines Statements deutlich machen, wie ich Apokalypse verstehe – das alte griechische Wort der Apokalypse übersetze ich als Aufdecken oder Enthüllen.
Wenn ich, wenn wir als Menschen dieser Erde momentan der Realität ins Auge sehen, dann sehen wir: Die Zeit drängt.
Die Erde kann nicht länger ertragen, was wir ihr zumuten: Die besitzergreifende Logik der Ausbeutung und des Konsums ist zerstörerisch.
Die Klimakrise ist Realität. Sie bringt Leid und sie bedroht Existenzen. Sie enthüllt die Missstände, in die unser aller Leben verstrickt ist. Und gleichzeitig enthüllt sie neue Möglichkeiten, wie unser Leben aussehen könnte.
Wenn ich als junge Christin aus Deutschland verschiedensten Erfahrungen von Menschen zuhöre und mich von ihren Worten berühren lasse, dann enthüllt sich mir Stück für Stück die Realität der Klimakrise.
Ich habe einer Frau aus Nicaragua zugehört. Sie berichtet davon, dass die Klimakrise auf dem Land in Nicaragua längst das wichtigste Thema geworden ist. Die Kaffeepflanzen wachsen nicht mehr, es fehlt an Wasser. Besonders die Frauen leiden unter den länger gewordenen Wegen zur Wasserquelle.
Ich höre den internationalen Klimawissenschaftler*innen zu und ich lese ihre Veröffentlichungen: Die Voraussagen sind deutlich. Sind die Kipppunkte erreicht, dann setzen unumkehrbare Dynamiken ein. Wir sind kurz davor, vielleicht schon mittendrin.
Ich habe einem jungen Mann aus Pakistan zugehört. Ein Drittel seines Landes stand letzten Sommer unter Wasser.
Ich höre den Menschen verschiedener Religionen zu, die sich – so wie ich – bei GreenFaith engagieren. Unsere Religionen lehren uns, wie wir mit unseren Nachbarn/ Nachbarinnen, wie wir mit der Schöpfung umgehen sollen. Respektvoll und achtsam. Die Erde und alle ihre Lebewesen sind heilig, - und sie sind in Gefahr.
„Deshalb bildet GreenFaith eine weltweite, multireligiöse Klimabewegung. Gemeinsam wollen wir unsere religiösen Stimmen in der Welt hörbar machen und die Zukunft mitgestalten – wir streben die Transformation zu einer mitfühlenden, liebenswerten und gerechten Welt an.
Wir stellen uns eine veränderte Welt vor, in der die Menschheit in all ihrer Vielfalt eine gemeinsame Ehrfurcht vor dem Leben auf der Erde entwickelt hat. Die Ära des Eroberns und der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen ist einer Ära der Zusammenarbeit und der Gemeinschaft gewichen.
Das gute Leben ist ein Leben in Verbundenheit – miteinander und mit der gesamten Natur. Es ist eine Welt des blühenden Lebens.”
Zu den Forderungen von GreenFaith gehören: 100 % erneuerbare, saubere Energie für alle! Wir fordern globale Finanzmärkte, die wertebasiert und klimabewusst handeln! Wir fordern eine Willkommenskultur für Klimaflüchtlinge! Den Erhalt der Biodiversität und ein Ende der Umweltzerstörung! Wir fordern Divestment und das Ende von unmoralischen Investitionen! Und wir fordern ein mutiges Handeln von Glaubensgemeinschaften!
Ich möchte im Folgenden drei Gedanken von mir vorstellen. Zunächst etwas zur Kraft der Sprache des Glaubens, als zweites Gedanken zum religiösen Handeln und zuletzt möchte ich nach Bildern für die Zukunft suchen.
Sprache des Glaubens
GreenFaith verbindet Menschen verschiedener Religionen als Menschen des Glaubens miteinander. Religiöse Sprache verstehe ich auch als Sprache des Herzens. Wenn ich über meinen Glauben und meine religiöse Suche spreche, dann macht mich das auch verletzlich. Ich bin nicht unangreifbar – mein Glaube betrifft mich ganz unmittelbar. Ich spreche aus einer Betroffenheit heraus. Ich glaube, diese Art des Sprechens brauchen wir auch für das Sprechen über die Klimakrise. Wir sind als Geschöpfe dieser Erde, als Erdlinge, unmittelbar betroffen von den klimatischen Veränderungen. Wir sind darauf angewiesen und davon abhängig, dass wir in einem Klima leben, an dass wir Menschen angepasst sind. Und wir sind von anderen Lebewesen abhängig – von Pflanzen, Mikroorganismen, wir sind als Menschen Teile von Ökosystemen. Was ich damit sagen will: Wir haben zu lange den Nicht-Menschlichen Teil der Schöpfung vernachlässigt & als eine Art Background für uns Menschen angesehen. Was wir dringend brauchen ist ein neues Sprechen über die Schöpfung, in der wir uns als Mitgeschöpfe verstehen. Niemand kann sich von den klimatischen Veränderungen distanzieren und sagen, das betrifft mich nicht. Es betrifft uns alle – und heute und jetzt betrifft es insbesondere unsere Menschengeschwister in Ländern des globalen Südens. Die religiöse Sprache kann eine große Kraft haben, weil sie unsere eigene Verletzbarkeit und Betroffenheit ausdrückt.
Ich gebe das gern an Sie und euch alle weiter: Denkt einmal darüber nach: Auf welche Weise betrifft mich die Klimakrise? Bin ich körperlich oder existentiell betroffen? Berührt mich die Frage nach globaler Gerechtigkeit? Möchte ich in der Nachfolge Jesu leben und in Nächstenliebe handeln?
Ich glaube, wenn wir uns unsere eigene Betroffenheit klar machen und unsere Verletzlichkeit nicht verstecken, dann können wir eine neue öffentliche religiöse Sprache lernen.
Eine Sprache, die sich nicht dafür schämt auf Gerechtigkeit zu hoffen und an eine solidarische Schöpfungsgemeinschaft zu glauben.
Religiöses Handeln
GreenFaith bringt diese Sprache in die Öffentlichkeit. Wir möchten als Menschen des Glaubens sichtbar werden und die Zukunft mitgestalten. Und damit zeigen wir: Die Klimakrise ist nicht nur eine Frage von politischen Entscheidungsmöglichkeiten. Sie ist nicht nur eine Frage der politischen Zugehörigkeit, sondern: Sie ist eine existentielle Frage. Sie betrifft uns alle, weltweit, alle Lebewesen dieser Erde. Und sie betrifft auch unsere Werte und die Haltung, die wir zur Welt haben. Die Zerstörung der Natur ist gegen unsere Religionen – gegen unser Heiligstes.
Das besitzergreifende Verhalten muss ein Ende haben. Wir streben ein Leben in Achtung und Liebe zur Schöpfung an.
GreenFaith sucht nach neuen, kreativen Formen des Protests. Wir beteiligen uns an Klimademos und an Kampagnen.
Wir wollen unsere religiöse Stimme in dieser fragilen Zeit einbringen und die Zukunft mitgestalten. Dafür brauchen wir neuen Mut für eine religiöse Sprache und wir brauchen eine neue Hartnäckigkeit.
So haben zum Beispiel Menschen des Glaubens letztes Jahr das Hauptquartier von BlackRock in New York besetzt. Singend und betend haben sie in der Vermögensverwaltung für eine neue Zukunft ohne die Finanzierung fossiler Energien demonstriert.
Bilder von der Zukunft
GreenFaith sucht nach Formen des Protests, in denen wir die Lebendigkeit unseres Glaubens ausdrücken können. Ich bin sehr bewegt von den Bildern der Malerin Lucy d‘Souza Krone, die bei GreenFaith aktiv ist. Sie malt Bilder mit starken Farben, die von der Schönheit unserer Schöpfung erzählen.
Wir brauchen Bilder, viele Bilder, die von der Zukunft sprechen. In unseren Heiligen Schriften finden wir sie in alten Textformen. In der Hebräischen Bibel wird von einer Schöpfung gesprochen, in der Geschöpfe verschiedener Art friedlich nebeneinander wohnen. Wolf und Lamm. Gott spricht, es ist gut.
Mich persönlich bewegt ein Bild aus der jüdischen Mystik sehr. Es spricht von der tikkun olam – das hebräische Wort tikkun bedeutet übersetzt Reparatur. Es heißt: Unsere Erde ist in Scherben auseinandergebrochen, aber wir können unsere Arbeit darauf ausrichten, die Scherben zusammenzufügen. Wir sollten die Risse nicht noch weiter auseinandertreiben lassen, sondern an der Reparatur der Welt mithelfen. Diese Perspektive ist für mich eine zutiefst religiöse Perspektive. Unsere Welt ist durchdrungen von Möglichkeiten der Heilung, die über unser menschliches Tun hinausreichen. Gott wünscht sich Heilung für unsere Schöpfung. Und wir können mithelfen und unser Handeln in Richtung dieser Heilung ausrichten. Wir sind nicht machtlos.
Ich glaube, wir lassen unseren Blick manchmal zu sehr in Richtung Himmel schweifen und vergessen dabei, dass wir mit beiden Füßen auf der Erde stehen. Wir sind angewiesen auf unser Klima. Diese Erde ist die Schöpfung, in der wir leben. Wir brauchen eine neue Einwurzelung in diese Erde.
Denn unsere Schöpfung ist wertvoll. Wir sollten sie nicht verloren geben. Diese Erde und unser Klima sind es wert, dass wir uns für sie einsetzen.
Schluss
Ich möchte schließen mit dem Zitat eines Mitglieds von GreenFaith, einem buddhistischen Mönch, der zusammen mit jüdischen, muslimischen und christlichen Menschen „BlackRock“ in New York besetzt hat. Er sagte:
„Ich ergreife Maßnahmen, weil mein Herz schmerzt. Ich bin gezwungen zu handeln. Ich fordere [die Menschen] auf, Das Leben, die Liebe, die Schönheit und das Teilen über das unersättliche Verlangen nach Reichtum zu stellen.“