Lyrik, Politik und Religion.

Predigt auf der Bundesgartenschau in Mannheim

zur Eröffnung der Themenwoche „Kirche Klima Krise“


1. Kön 19,3-12


Wüstenwege, weite Wege

Der Weg zur Wasserquelle ist weit geworden. Vor drei Jahren noch war sie ohne Probleme bei Sonnenuntergang zurück. In diesem Jahr muss sie sehr viel schneller gehen, damit sie es vor Einbruch der Dunkelheit schafft. Auch die Sommerhitze ist stärker geworden. Sie spürt das sehr deutlich. Und die Tiere spüren es auch, die Sonne wird brennender. Aber das größte Problem ist das Wasser. Wenn es in Zukunft noch weniger Wasserquellen geben wird, wer weiß, wo sie dann hingehen werden. Aber noch sind sie hier und es ist ihre Aufgabe, das Wasser zu holen. Hoffentlich wird es nicht gefährlich, hoffentlich lauert ihr niemand auf. Weite Wege durch die Wüste sind keine sicheren Orte für junge Frauen. Die Angst ist mit auf dem Weg, aber es geht nicht anders. Das Wasser wird gebraucht. Sie geht ihren Weg.

Andere Familien haben sich längst aufgemacht. Sie haben ihre Kleider und Vorräte zusammengepackt und suchen nach neuer Heimat. Nach sicheren Orten, ohne quälende Dürre, ohne Überschwemmung. Weite Wege - Schritt für Schritt gehen sie durch den Wüstensand. Klimaflüchtlinge.
Schon jetzt sind Millionen Menschen auf der Flucht vor der Klimaveränderung – und die Zahlen steigen dramatisch.
Wissenschaftler*innen warnen seit Jahrzehnten. Und sie sagen: Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit haben so wenige Menschen in Politik und Wirtschaft Entscheidungen getroffen, die so weitreichende Folgen für den ganzen Planeten haben.
Und zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten spüren auch wir größtenteils westeuropäisch Sozialisierten: Ein Leben in Wohlstand und Sicherheit ist keinesfalls selbstverständlich. Wir Menschen sind nicht so unabhängig, wie wir dachten- wir sind angewiesen auf unsere Umgebung, auf unser Klima – wir sind eingebunden in natürliche Abläufe von Sommer und Winter, Regen, Saat und Wachstum.
Auch in Deutschland ist die Angst ein Begleiter. Jugendliche schauen oft besorgt in die Zukunft. Eine Familie gründen, das erscheint vielen als zu großes Risiko. In was für einer Welt würden diese Kinder einmal leben? Die Angst vor dem, was kommt, ist groß. Sie lähmt. Sie drückt nieder.

Elijah
Da bekam Elijah es mit der Angst zu tun. Er lief in die Wüste, er setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wollte nur noch sterben.
Da berührte ihn eine Botschaft: „Steh auf, und iss!“
Er aß und trank, drehte sich um und legte sich wieder hin. Da kam die Botschaft Gottes zum zweiten Mal und berührte ihn: „Steh auf, und iss. Du hast einen weiten Weg vor dir.“
Ich frage mich, wie diese Stimme klingt, die da sagt: Steh auf. Iss. Mach dich bereit, du hast noch einen Weg zu gehen.
Ist es eine zärtliche Stimme, die mich sanft in der Tiefe berührt? Gib nicht auf, flüstert sie. Du hast Brot, und du hast Wasser. Alles, was du brauchst, ist da. Und das kleine Stückchen Mut, was dir noch fehlt, gebe ich dir. Mach dich auf den Weg.
Oder, sind es eher bestimmte Worte. Fordernd, jetzt nicht der Müdigkeit zu verfallen. Ich habe die Stimme meiner Großmutter im Ohr, wenn ich als Kind krank war und zu müde, etwas zu essen oder trinken. Doch, diese Teetasse wird getrunken. Keine Diskussion. Und dann wirst du wieder gesund.
Es sind auch die Stimmen von Aktivist*innen: Steht auf. Macht euch bereit. Bleibt jetzt nicht stehen. Die Erde braucht euch, jeden einzelnen. Der Weg ist weit, aber wir haben alles, was wir brauchen. Wir müssen es nur umsetzen.
Wie auch immer diese Stimme klingen mag, sie spricht auch zu uns. Ich höre sie manchmal, wie sie zu mir sagt: Bleib jetzt nicht stehen. Du hast noch einen Weg zu gehen. Es ist noch Kraft in dir. In jedem von uns ist Kraft und Lebendigkeit. In jedem von uns stecken Möglichkeiten, die wir bisher nicht verwirklicht haben. In jedem von uns schlägt ein kräftiges Herz.

Bewegung
Unser Herz steht nicht still. Jeden Tag, jede Stunde unseres Lebens ist es in Bewegung. In uns allen wirkt die lebendige Kraft Gottes, die weiterträgt und das Leben liebt. In unseren Körpern ist niemals Stillstand. Das Blut in uns pulsiert, der Atem bewegt sich. Bei Menschen. Bei Vögeln. Bei Tieren der Wüste und Tieren des Waldes. Auch in Bäumen und Pflanzen pulsiert das Leben, werden Nährstoffe und Wasser transportiert. Alles ist in Bewegung, die ganze Schöpfung Gottes. Da ist kein Stillstand. Kein Moment ist wie der Andere. Wir alle, hier und heute, inmitten der ganzen Erde, sind lebendige Geschöpfe. Manchmal schließe ich für einen Moment die Augen und spüre, wie viel Leben da um mich herum pulsiert. Und ich bin ein Teil davon, ich bin ein Mitgeschöpf, verbunden mit so viel Lebensfreude auf dieser Erde.
Und doch ist diese Schöpfung bedroht. Lebensräume werden eingeschränkt. Für Vögel und Insekten, und auch für Menschen. Ganze Landstriche werden unbewohnbar. Zu heiß. Zu trocken.
Veränderung wird blockiert. Zu viel Kohle haben wir schon aus der Erde geholt, zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Die Klimakrise schreitet voran und die lebensbejahenden Kräfte setzen sich noch nicht genug durch. Die Kräfte, die das Leben von Vielen im Blick haben. Die dahin wirken, Lebensräume zu erhalten und Lebendigkeit zu ermöglichen.
Wer wird die Zukunft gestalten? Wohlstand für Wenige? Oder Vielfalt? Das Leben in seiner ganzen schöpfungsreichen Fülle, bunt und verschieden, Menschen, Tiere, Pflanzen, genug Raum für alle geliebten Geschöpfe Gottes?
Steh auf und iss. Du hast einen weiten Weg vor dir. Stehen wir auf. Essen und Trinken und gehen auf dem Weg, der ins Leben führt. Vertrauen wir der Stimme Gottes, die am Ostermorgen das Leben durchbrechen lässt. Glauben wir an die lebensbejahenden Kräfte dieser Schöpfung.
Machen wir mit. Gestalten wir. Bauen wir asphaltierte Flächen zurück und legen Gärten an. Riesige Gärten. So wie hier in Mannheim auf der BuGa. Malen wir gebrauchte Bänke und Stühle bunt an. So wie hier, in dieser wunderschönen Kirche. Schauen wir bei uns zu Hause, welche Möglichkeiten noch ungenutzt sind, um Räume den Vögeln und Insekten zu überlassen. Fördern wir erneuerbare Energien, wo es nur geht. Schauen wir in unsere Kirchengemeinden: Was können wir da tun, was haben wir noch nicht probiert? Wie können wir achtsam werden für die Energie, die wir verbrauchen? Wie sieht die Zukunft aus, die wir uns für unsere Gemeinde wünschen? Und wo sind die Menschen, die schon losgegangen sind und diese Zukunft leben?
So vieles ist schon da. So viele sind schon auf dem Weg. Gehen wir mit ihnen und lassen unsere Erde aufblühen.
„Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist auf dem Weg“ – schrieb Arundhati Roy einmal. „Vielleicht werden viele von uns nicht hier sein, um sie zu begrüßen, aber an einem ruhigen Tag, wenn ich ganz genau hinhöre, kann ich sie atmen hören.“
Ich höre diesen Atem auch. Manchmal spüre ich das sanfte Wehen Gottes zärtlich und tief in mir, so wie Elija es am Ende seiner Reise spürte.
Die Klimaveränderungen bleiben eine Menschheitsaufgabe für die nächsten Jahrhunderte. Aber diese Einsicht muss nicht niederdrücken, sie kann uns auch anreizen. Wenn wir uns mit auf den Weg machen, dann zeigen wir: Diese Schöpfung ist es uns wert. Die Kinder und Enkel sind es uns wert. Die Zukunft ist es uns wert.
Und das leise Wehen, der Atem Gottes ist in uns und mit uns, um uns herum, lockend in die Zukunft, in jeden neuen Augenblick.
Gott ist Zukunft. Amen.